nach 1945

Nach der Befreiung Österreichs von der NS-Herrschaft versammelte sich Nordgaus Altherrenschaft schon am 19. Juni 1945, um über das Wiedererstehen der Verbindung zu beraten. In einer Generalversammlung (CC) am 15. Oktober 1945 wurden diese Bemühungen weitergeführt; gleichzeitig sorgte ein Mitgliederüberprüfungssausschuss für die Entfernung jener Bundesbrüder, die trotz der 1933 von der Verbindung geforderten Ehrenerklärung tatsächlich bereits illegal in der NSDAP tätig gewesen waren.

Seitens der Vereinsbehörde wurde am 29. Mai 1946 die 1938 verfügte Auflösung der Verbindung aufgehoben, nachdem schon am 31. März 1946 ein Wiederbegründungsfest auf Einladung S. Em. Bbr. Theodor Kardinal Innitzer im erzbischöflichen Palais stattgefunden hatte. Für kurze Zeit musste Nordgau (als nunmehrige „Katholische österreichische Hochschulverbindung“) allerdings den Namen „Ferdinandea Wien“ führen, bis sich die Vereinsbehörde überzeugen ließ, dass der schon seit 1900 geführte alte Namen in keiner Weise mit dem NS-Gedankengut in Zusammenhang stand.
Unter dem Philistersenior Otto Schubert v. Dr. cer. Demian und dem Senior Leopold Swossil erblühte Nordgau bald erneut, sodass die Verbindung schon im Studienjahr 1948/1949 den Vorsitz im Wiener Cartellverband übernehmen konnte. Ein mächtiges Zeichen der neuen Lebenskraft war das 50. Stiftungsfest, das vom 27. bis 28. Mai 1950 in Wien gefeiert wurde; den noch lebenden Stiftern wurde dabei das „Ehrencouleur“ als neuartige Ehrung überreicht. Nordgauer wurden in dieser Zeit auch im öffentlichen Leben des nach 1955 wieder völlig unabhängigen Österreichs aktiv: 1954 wurde Bbr. Dr. Heinrich Drimmel Unterrichtsminister, 1956 Bbr. Dr. Fritz Bock Minister für Handel und Wiederaufbau; 1954 übernahm Bbr. Günther Wiesinger den Vorsitz der Hochschülerschaft. Ein trauriges Ereignis stellte in diesen Jahren der Trauerkommers am 18. Oktober 1955 für den verstorbenen Erzbischof von Wien und Nordgauer Theodor Kardinal Innitzer dar; sein Nachfolger Erzbischof Franz (später Kardinal) König erhielt 1956 das Ehrenband Nordgaus.

Nachdem Nordgau ab 1946 seine Bude in den Teilen der Wohnung von Bbr. Pfarrer Hanig in der Schottengasse 3 hatte, wurde für die auf über 330 Mitglieder angewachsene Verbindung 1958 eine größere Bude gesucht, die mit den Räumlichkeiten im Looshaus am Michaelerplatz gleich gegenüber der Hofburg gefunden wurde. Kurz danach übernahm Nordgau für die Zeit 1960/1961 und 1961/1962 unter den Vorortspräsidenten Dr. Rudolf Gruber v. Grog und danach Dr. Peter Micheler v. Swift den Vorsitz im Österreichischen Cartellverband mit den Themen „Christliche Freiheit und Persönlichkeit“ und „Ökumene – Einheit der Christen“ – und dies schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Die folgenden, gerade für die Hochschulen turbulenten 60er Jahre gingen auch an Nordgau nicht spurlos vorbei,  doch gelang es, die vier Prinzipien und die bewährten Formen des Couleurstudententums über die Krise der Jahre 1968/1969 zu retten und durch den engagierten Einsatz einiger Bundesbrüder die Verbindung mit neuem Leben zu erfüllen. So konnte das 75. Stiftungsfest unter dem besonders verdienten mehrfachen Senior Walter Pariasek in feierlichem Rahmen begangen werden.
In den 80er Jahren ging das Verbindungsleben dann einen ruhigeren Gang, Nordgau begegnete dennoch den Herausforderungen der Zeit erfolgreich – wie etwa 1985 eine Podiumsdiskussion zur Besetzung der Hainburger Au zeigte, die von einer sehr großen Zahl auch Verbindungsfremder besucht wurde. 1986 musste die Bude im Looshaus aufgeben werden, Nordgau fand eine neue Heimstatt an seiner aktuellen Adresse in der Kolingasse 2, ideal gelegen zu den diversen Universitätsstandorten der Stadt. Im Wintersemester 1989 übernahm Nordgau dann wieder den Vorsitz im ÖCV unter dem Vorortspräsidenten Günther Wiesinger und setzte unter dem Motto „CV – ein Weg, nicht resignieren, Stellung beziehen“ inhaltliche Akzente für die Zukunft. Einen großen Verlust für Nordgau bedeutete im November 1989 der Tod  von S. D. Fürst Franz Josef II. von und zu Liechtenstein, der seit seiner Rezeption 1927 seinem Nordgau stets eng verbunden blieb, wie die Verbindung noch 1986 durch die Gründung einer „Fürst Franz Josef-Stiftung“ deutlich dokumentiert hatte.

Der Umbruch in Mittel- und Osteuropa 1989 forderte auch Nordgau heraus; 1989 zeigte sich die Verbindung durch eine Demonstration vor der rumänischen Botschaft solidarisch mit der Opposition gegen das grausame Ceausescu-Regime. Im Sommer 1992 fanden fünf bosnische Flüchtingsfamilien auf der Bude zeitweilig Unterkunft und wurden von Nordgau betreut. Andererseits konnte die neue Reisefreiheit 1993 zum ersten Stiftungsfest in der „alten Heimat“ in Prag seit vielen Jahrzehnten genutzt werden.
1994/1995 übernahm Nordgau erneut den Vorort des ÖCV mit dem VOP Martin G. Sellner an der Spitze. Danach liefen schon allmählich die Vorbereitungen für das 100. Stiftungsfest im Jahr 2000 an, das mit den Höhepunkten Romfahrt im Herbst 1999 und Stiftungsfestkommers in der Hofburg im Mai 2000 unter den Jubelseniores Harald Hess und Günther Dragosics und dem langjährigen Philistersenior Prim. Prof. Dr. Günther Wiesinger v. Dr. cer. Swing, der im Jahr darauf auch das Ehrencouleur erhielt, eine wahrhaft würdige Jahrhundertfeier Nordgaus wurde.

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